Den Menschen eine Stimme geben: Zur kritischen Rolle des Interviews in der Geschichte der Publikumsforschung
Sonia Livingstone
Inspiriert durch das Konferenzthema ,,Schlüsselworte der Kommunikation“ der ICA‐Jahrestagung 2009, befasst sich dieser Artikel mit der zentralen Rolle des ,,Interviews“ in der Geschichte der Publikumsforschung. Auch wenn Interviewführung grundsätzlich eine Bidirektionalität impliziert, konstruierte die Forschungstradition nach Lazarsfeld den mächtigen Interviewer und den gehorchenden Interviewten ‐ eine Tradition, die im Zuge der kritischen Wende in der Rezeptionsforschung und der Betonung der Expertise des Interviewten in Frage gestellt wurde. Indem dem Publikum eine Stimme gegeben wurde, konnte die Forschung wesentliche Herausforderungen an die Medien‐ und Kommunikationstheorie herantragen. Allerdings laufen diese Herausforderungen heute Gefahr, unterminiert zu werden, da in den Lehrbüchern traditionelle Methoden betont werden, neue Medien die Massenpublika als ,,passiv“ repositionieren und Forscher zögern, hinauszugehen und mit der Öffentlichkeit zu sprechen.