Das Gebiet der Katalyse von Radikalreaktionen erfuhr in jüngster Zeit höchste Aufmerksamkeit. Viele interessante Radikalreaktionen wurden entdeckt und dann über Katalysezyklen erklärt. Diese Zyklen stellen allerdings selten den einzigen Weg vom Substrat zum Produkt dar. Die meisten Radikalreaktionen weisen intrinsische Ketten auf, die das Potential haben, das Produkt auch ohne Katalysator zu bilden. Wie wissen wir nun, ob eine in “katalytischen Mengen” zugegebene Verbindung einen Katalysator, einen Initiator oder gar etwas anderes darstellt? Im vorliegenden Aufsatz besprechen wir kritisch sowohl Katalysator‐freie als auch katalytische Radikalreaktionen aus Sicht der Radikalchemie. Grundlagen der Kinetik und Thermodynamik von Radikalreaktionen werden genutzt, um die Probleme der Initiierung, Propagation und Inhibierung von Radikalreaktionen zu adressieren. Katalyse von Radikalreaktionen unterscheidet sich von anderen Gebieten der Katalyse in mehreren Aspekten. Wohingegen intrinsische Kettenreaktionen schwierig zu katalysieren sind, da die zugrundeliegenden individuellen Schritte so schnell ablaufen, bieten ineffiziente Kettenprozesse und nicht‐Kettenprozesse verschiedene Möglichkeiten der Katalyse. Wir illustrieren Konzepte der Katalyse von Radikalreaktionen mit ausgewählten Beispielen aus der klassischen, aber auch der jüngsten Literatur.