Es besteht kein Zweifel daran, dass die ausgiebige Beforschung des ostdeutschen Transformationsprozesses1 eine Fülle von informativen empirischen Ergebnissen erbracht hat. Wie aber steht es mit ihrem Ertrag für die soziologische Theoriebildung?2 Hintergrund dieser Fragestellung ist der folgende Tatbestand: Einesteils hatten Karl Otto Hondrich, Klaus von Beyme und andere beklagt, dass die Sozialwissenschaften nicht dazu in der Lage gewesen seien, den Zusammenbruch der DDR zu prognostizieren3, womit diese Autoren zumindest implizit für eine Korrektur des sozialwissenschaftlichen Theorieverständnisses plädierten. Ergänzend dazu hatten Giesen und Leggewie4 der sich anbahnenden Transformationsforschung einen „Paradigmawechsel“ in Aussicht gestellt, der vornehmlich drei Folgen haben sollte: Einmal sollten auf diese Weise die überkommenen Dichotomien zwischen Mikro und Makro, System und Wandel, Fortschritt und Krise überwunden und damit ein Beitrag zur „Theorievereinheitlichung“ geleistet werden; zum zweiten ermahnten die beiden die Soziologie, sie möge sich um die systematischtheoretische Verflechtung individueller und kollektiver Handlungen kümmern, um auf diesem Wege zu einer „Mikrofundierung“ des Transformationsgeschehens zu gelangen; und zum dritten empfahlen sie, die erwartbare Umgestaltung der ostdeutschen Gesellschaft als einen „sozialen Großversuch“5 zu nutzen, der dazu dienen sollte, die überkommene Sozial- und Gesellschaftstheorie zu prüfen6 und die „theoretische Debatte (mit der Absicht zu) revitalisieren“, neue theoretische Perspektiven zu eröffnen.