Sowohl der altsächsische Heliand als auch Otfrids Liber evangeliorum erzählen die Geschichte der Evangelien. Hinsichtlich der Ausgestaltung der primären Erzählinstanz verhalten sich beide Bibelepen jedoch gegensätzlich. Während der stabgereimte Heliand das ik des Erzählers ausschließlich in formelhaften Wendungen präsentiert, die der mündlichen germanischen Dichtung entstammen, erscheint das Sprecher-Ich bei Otfrid häufig und in vielfältiger Weise im Text und seinen Paratexten. Neben dem Dichter-Ich lassen sich die Sprechhaltungen des Predigers und des Betenden unterscheiden, die den sozialen Rollen des Autors, des Priesters und des Mönchs entsprechen. Die unterschiedliche Ausgestaltung der Erzählinstanz entspricht der unterschiedlichen Haltung, die der Heliand-Dichter und Otfrid zur mündlichen Dichtungstradition ihrer Herkunftskultur einnehmen.