Am 23. Juni 2016 geschah das Unerwartete: Die britische Bevölkerung stimmte mehrheitlich für einen Austritt Großbritanniens aus der europäischen Union. Premierminister David Cameron, der sich häufig kritisch über die Europäische Union geäußert hatte, dieses Ergebnis aber bestimmt nicht wollte, bekam die Quittung für seine Politik.
Das BREXIT-Referendum, wie auch die Wahl Donald Trumps zum 45. Präsidenten der USA sowie das gescheiterte Verfassungsreferendum in Italien sind dabei Symptome einer tiefgreifenden Krise der globalen Ordnung. Diese Krise ist real. Sie löst Unsicherheit bei den Funktionseliten aus. Aber sie ist auch – um ein viel benutztes Klischee noch weiter zu strapazieren – eine Chance.
In meinen Ausführungen werde ich die Ursachen und Manifestationen der tiefgreifenden Krise am Beispiel des BREXIT beleuchten. Ich werde zweitens argumentieren, dass Protektionismus nicht immer schlecht sein muss, sondern dass es sich, wie bei eigentlich allen politischen Entscheidungen, um eine Frage von Maß und Mitte handelt. Und ich werde drittens skizzieren, wie sich die deutsche Wirtschaft und Industrie in einem veränderten Umfeld positionieren sollen – denn neben Großbritannien hat eine ähnliche Entwicklung in den USA bereits eingesetzt.
Dabei werde ich mich der etwas aus der Mode gekommenen politischen Ökonomie bedienen und berücksichtigen, dass eine Wirtschaftsordnung immer auch einen Interessausgleich zwischen Interessengruppen und Klassen leisten muss, wenn sie auf Dauer legitim sein soll. Zudem muss auch der Ausgleich zwischen Ländern und Regionen gelingen. Damit befinde ich mich in der besten Tradition des von mir verehrten Friedrich Lists, aber auch Francois Quesnays, John Maynard Keynes’, Karl Marx’ und meines Lehrers Robert Gilpin. Wer, wie die meisten zeitgenössischen Ökonomen, die aktuellen politischen Phänomene ausschließlich auf individuelle Konsum- und Produktionsentscheidungen zurückführen will, wird ihnen nicht gerecht. Und er wird sie nicht verstehen.
Der Dekan der Wirtschaftswissenschaften der Universität Graz äußerte auf einer Veranstaltung mit heterodoxen Ökonomen und dem Verfasser im Jahr 2012, dass die Wirtschaftswissenschaften mittlerweile sehr gut darin seien, zu analysieren, wie sich Regeln auswirken. Es gäbe aber große Lücken bei den Ökonomen, zu verstehen, wie Regeln gemacht werden. Genau das ist die Aufgabe der politischen Ökonomie. Wer bestimmt die Regeln in welchem Fall, und wem nützt es? Dies ist die Kernfrage, und sie wird viel zu selten gestellt. In diesem Beitrag beleuchte ich, wie der BREXIT und verwandte Ereignisse die globalen Regeln beeinflussen könnten.