Die Grundthese des Artikels hebt darauf ab, dass Formen von Privatheit nicht von ihrem medialen Substrat zu trennen sind. Methodisch strebt der Beitrag deshalb einen Vergleich der Schreibpraktiken auf Facebook mit denen des bürgerlichen Briefwechsels der Empfindsamkeit an, um (Dis-)Kontinuitäten der Privatheit sichtbar zu machen. Der kommunikative Stil des Briefs der Empfindsamkeit entschlüsselt sich nach einem Code der Wärme, der authentische Verbundenheit inszenierte, um Distanzen zu überbrücken. Der kommunikative Stil auf Facebook – so legen es die empirischen Ergebnisse des DFG-Forschungsprojekts „Öffentlichkeit und Privatheit 2.0“ nahe – folgt hingegen einem Code der Kälte, der seine eigene Artifizialität ausstellt, um Privatheit zu inszenieren. Von den Nutzern werden gekonnt Distanzen in die Kommunikation eingebaut, um private Nähe zu erzeugen. Dazu werden Praktiken der Coolness, der Ironie und Indifferenz sowie Formen kryptischer Kommunikation funktional. Gerade die spezifische Medialität der sozialen Netzwerke erzeugt somit Formen einer „erkalteten Vertrautheit“. Privatheit wird also in den Netzwerken nicht einfach aufgelöst, wie viele Internetkritiker unterstellen, sondern den veränderten technischen und medialen Gegebenheiten der Plattformen angepasst und anders codiert. Vor dem Hintergrund des Imperativs der Vernetzung üben die Nutzer heute auf Facebook auch Verhaltenslehren der Kälte ein.