Die klinische Entscheidungsfindung bei Patienten mit ausgedehnten Extremitätenverletzungen für eine primäre Amputation oder den Beginn aufwendiger rekonstruktiver Maßnahmen im besten Interesse des Patienten kann sehr komplex und schwierig sein. Zahlreiche Einflussfaktoren auf die Therapieentscheidung (lokale anatomische und pathomechanische, physiologische, psychosoziale und allgemeine Faktoren) werden dargestellt und diskutiert. Die Bedeutung von Scores zur Entscheidungsfindung Gliedmaßenerhalt vs. Amputation ist in der Vergangenheit stark überbewertet worden. In der LEAP-Studie konnte klar gezeigt werden, dass keiner der z. T. sehr komplexen Scores dieser Aufgabe gerecht werden kann. Es wird dargelegt, dass die Initiatoren von Scores durchweg bessere Werte für Sensitivität und Spezifität von Scores erreichen, als dies unter den standardisierten und kontrollierten Bedingungen der LEAP-Studie gelang.
Lange Zeit galt die aufgehobene Fußsensibilität als sicheres und verlässliches Kriterium zur Amputation, hier hat die LEAP-Studie erheblich zur Entmythologisierung als Leitsymptom beigetragen. Patienten mit schwerem Trauma im Bereich von Sprunggelenk und Fuß, die einen freien Lappen oder eine OSG-Arthrodese benötigten, haben 2 Jahre nach einem Unfall ein statistisch signifikant schlechteres Ergebnis als Patienten mit Unterschenkelamputation. Unter Berücksichtigung aller dieser Einflussfaktoren wird zur Erleichterung der Therapieentscheidung ein umfassender und differenzierter Algorithmus zum Gliedmaßenerhalt vs. Amputation angegeben, der 4 Module umfasst: 1) Entscheidungsfindung, 2) Notfallbehandlung, 3) Definitive Behandlung und 4) Feintuning. In das Modul Entscheidungsfindung werden nicht nur die lokale und allgemeine Verletzungsschwere, sondern erstmals auch das zu erwartende Resultat, der Allgemeinzustand, Begleiterkrankungen, die Compliance und der Patientenwille mit einbezogen.