Leben ist grundsätzlich ein permanent umweltabhängiger Entwicklungsprozess. Sogar die Genexpressivität kann (auch sequenzunabhängig) durch Umwelteinflüsse dauerhaft modifiziert werden (Epigenomik). Derartige Gen-Umwelt-Interaktionen haben während prä- und neonataler, kritischer Entwicklungsphasen offenbar besonders nachhaltige, dauerhafte Konsequenzen für das langfristige, individuelle Erkrankungsrisiko. Mechanistisch scheint es sich hierbei um einen prinzipiell normativen, vegetativen Konditionierungsprozess zu handeln („vegetative Prägung“), bei dem epigenomisch und mikrostrukturell durch die Quantität und die Qualität von umweltabhängigen Entwicklungssignalen (Ernährung, Hormone, Xenobiotika etc.) Funktionsweisen von der subzellulären bis hin zur kybernetisch regulierten, organismischen Gesamtebene „geprägt“ werden, im Sinne einer Konditionierung, v. a. von Genom und Gehirn. So können z. B. Über- und Fehlernährung während kritischer Entwicklungsphasen das Erkrankungsrisiko für Übergewicht, Adipositas, Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Erkrankungen dauerhaft erhöhen, insbesondere infolge einer neuroendokrinen Fehlkonditionierung. Ähnliches wurde für perinatal erworbene Störungen der Stressregulation und anderer fundamentaler Lebensfunktionen beschrieben. Disstress, Disnutrition und Disruptoren (natürliche und anthropogene Xenobiotika) scheinen als fundamentale, grundsätzliche Störgrößen perinataler Prägungsprozesse wirken zu können („Disstress-Disnutrition-Hypothese“ und „3-D-Konzept perinataler Fehlprägung“). Hieraus ergeben sich für die Zukunft mannigfaltige Chancen und Herausforderungen einer genuinen, primären Prävention im Rahmen der Entwicklungsmedizin, durch das Erkennen, Vermeiden und/oder die adäquate Behandlung maternofetaler und/oder frühpostnataler Fehlexpositionen.