Kaum eine in der Medizin eingesetzte Substanz kann auf eine solch lange Geschichte verweisen wie Botulinumtoxin. Die Erforschung und auch die ersten Überlegungen zur Anwendung gehen auf den deutschen Arzt Justinus Kerner (1822) zurück. Seit den 1940er-Jahren bestehen klare Vorstellungen über die Wirkung und erstmals 1977 wurde es in der Augenheilkunde zur Behandlung von Schielstellungen eingesetzt, recht bald auch in der Therapie des Blepharospasmus. Durch Zulassungsstudien gesicherte Indikationen sind jetzt die zervikale Dystonie, die spastische Tonuserhöhung der Arme und Beine nach Läsionen des zentralen Nervensystems, die idiopathische axilläre Hyperhidrose, die chronische Migräne und die neurogene bzw. idiopathische Überaktivität des Blasendetrusors. Die Anwendung hat sich für alle diese Indikationen als sicher erwiesen. Erste Ergebnisse zu anderen Indikationen lassen zukünftige weitere klinische Einsatzfelder erkennen. Parallel dazu wurde der Wirkmechanismus von Botulinumtoxin weiter aufgeklärt. Er wird nicht mehr allein in der Beeinflussung der Neurotransmission im Bereich der motorischen Synapsen gesehen, sondern auch in der Beeinflussung von sensorischen, nozizeptiven Nervenfasern.