Die vorliegende Studie beschäftigt sich mit Variationen im jährlichen Schalenzuwachs von zehn lebend gefangenenArctica islandica Individuen von drei Lokalitäten auf der Doggerbank in der zentralen Nordsee. Aufgrund synchroner Verläufe der Wachstumskurven zeitgleich lebender Individuen konnten wir eine 65 Jahre umfassende Master-Chronologie erstellen. Schrittweise multiple lineare Korrelation indiziert einen hochsignifikanten (p<0.01) negativen Zusammenhang zwischen jährlichem Schalenzuwachs und Oberflächenwassertemperaturen (SST) während der Wintermonate über den Zeitraum von 1953 bis 1995. Bis zu 27,5% der Variation im jährlichen Zuwachs läßt sich durch Schwankungen der Wintertemperaturen erklären. Wir nehmen an, daß die höheren jährlichen Schalenzuwächse in kälteren Wintern mit höherem Nahrungsangebot zusammenhängen. Während wärmerer Winter scheint die vertikale Schichtung der Wassersäule im Nordosten der Doggerbank stärker zu sein. In Verbindung mit erhöhten Strömungen beeinträchtigt sie das Absinken des Phytoplanktons zum Meeresboden und verhindert ein Durchmischen von nährstoffreichen Oberflächenwassern und tieferen Wassermassen. Über längere Zeiträume sind die Nahrungsverfügbarkeit und damit das Schalenwachstum von Muscheln (hierArctica islandica) direkt an hydroklimatische Veränderungen gekoppelt, die in Verbindung mit der Variabilität der Nordatlantischen Oszillation (NAO) stehen.
Unsere Untersuchungen demonstrieren, daß sichArctica islandica für langzeitliche und hochauflösende Umweltrekonstruktionen eignet. Unsere Studie leistet darüber hinaus einen Beitrag zum besseren Verständnis natürlicher und anthropogener Variabilitäten der Umweltgeschichte der Nordsee.