Grundlagen: In den letzten Jahren erschienen zahlreiche Publikationen, die sich mit dem familiären, nicht medulären Schilddrüsenkarzinom (FNMTC) beschäftigen. Werden in einer Familie zwei oder mehr Familienangehörige mit einem papillären oder Hürthel-Zellkarzinom beobachtet, spricht man von FNMTC.
Methodik: Es werden geschichtliche Daten sowie aktuelle Erkenntnisse zur Genetik, Pathologie, Therapie und zum klinischen Verlauf als Übersicht dargestellt.
Ergebnisse: Ein familiäres Auftreten eines FNMTC wurde erstmals 1995 beschrieben. Bei drei oder mehr Erkankten einer Familie scheint ein autosomal dominanter Erbgang mit inkompletter Penetranz vorzuliegen. 99,9 % dieser Patienten leiden an einer familiären Erkrankung. Das FNMTC ohne zusätzlichem Syndrom tritt bei etwa 5 % der Patienten mit Schilddrüsenkarzinomen, die von den Thyreozyten ihren Ausgang nehmen, auf (Prävalenz zwischen 3,5 % und 6,2 %). In einer Familie mit zwei Erkankten sind etwa 50 % Erbträger. Das FNMTC vom follikulären Wachstumstyp ist selten. Zur Zeit gibt es keine definierte genetische Untersuchung, um bei einem Patienten mit papillärem oder Hürthle-Zellkarzinom sicher eine spezifische Keimbahnmutation nachzuweisen. 1998 wurde in einer französischen Familie mit oxyphilen und trabekulären Schilddrüsenkarzinomen durch Linkage-Untersuchungen eine möglicherweise krankheitsassoziierte Region am Chromosom 19p13.2 (thyroid cancer oxyphilia — TCO) nachgewiesen. Patienten mit TCO haben Schilddrüsenkarzinome mit trabekulärem und onkozytärem Aufbau. Auch Patienten mit papillären Schilddrüsenkarzinomen und familiärer Polypose zeigen ein typisches mikroskopisches Bild. Somit kann ein erfahrener Pathologe erste Hinweise auf ein mögliches FNMTC geben. Wie auch bei Patienten mit Schilddrüsenknoten nach Strahlenexposition, sollte auch bei Personen mit Schilddrüsenknoten aus einer Familie mit FNMTC eine totale Thyreoidektomie mit Lymphadenektomie bei vergrößerten Lymphknoten durchgeführt werden, sofern dieser Eingriff mit niedriger Morbidität durchgeführt werden kann. Bei Familienangehörigen ohne palpablen Knoten werden laufende Ultraschalluntersuchungen empfohlen. Bei Auftreten von Knoten sollten diese nach sechs Monaten und dann jährlich Mit dem Ultraschall kontrolliert werden. Knoten sollten einer Ultraschall gezielten Feinnadelaspirationsbiopsie zugeführt werden. Im Vergleich zum klinisch okkulten sporadischen Schilddrüsenkarzinom scheint das klinisch okkult auftretende FNMTC einen aggressiveren, klinischen Verlauf mit auch tödlichen Verläufen zu zeigen.
Schlußfolgerungen: Mit Linkage-Analysen bemühen sich einige Studiengruppen um den Nachweis der für das FNMTC verantwortlichen Gene. Obwohl zur Zeit noch teuer, sind diese Untersuchungen notwendig, um die Betreuung der Patienten mit FNMTC zu verbessern.