Während Ethikkommissionen der medizinischen Fakultäten und Landesärztekammern hinsichtlich der Forschung am Menschen und Tierversuchen (Landesstellen) aufgrund von gesetzlichen Vorgaben seit Jahrzehnten fest etabliert sind, begann die Entwicklung der klinischen Ethik in Deutschland erst relativ spät. Klinische Ethikberatung entwickelte sich an Krankenhäusern in Form von Klinischen Ethik-Komitees (KEK) und Ethikkonsildiensten. Klinische Ethikberatung ist dabei als ein ethisch qualifiziertes und informiertes Konfliktmanagement im Rahmen rechtlicher Vorgaben zu verstehen. Es beschäftigt sich mit wertbehafteten Problemen und Konflikten in der Versorgung konkreter Patienten, wie z. B. dem Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen, dem Umgang mit Patientenverfügungen und der Sterbehilfe. Die Tätigkeit klinischer Ethikberatung unterscheidet sich von anderen Beratungs- bzw. Konsiltätigkeiten der klinischen Medizin, da der Ethikberater den Anfragenden nicht eigene Lösungsvorschläge unterbreitet, sondern im Rahmen einer partizipativen Entscheidungsfindung eine Lösung mit allen direkt Beteiligten erarbeitet, die dann auch gemeinsam verantwortet werden kann. Sie soll vor allem dem aktuell geäußerten, vorausverfügten oder mutmaßlichen Patientenwillen entsprechen. Während KEK und Ethikkonsildienst meist nachgehenden Charakter haben, da sie nur auf Anfrage tätig werden und somit eher seltene klinische Ereignisse darstellen, so konnte mit dem in Marburg entwickelten Modell eines Ethik-Liaisondienstes eine proaktive, antizipatorische und präventive klinische Ethikberatung eingeführt und umgesetzt werden. Sie ist in den klinischen Routinealltag eingebunden und ermöglicht neben der konkreten Beratungssituation einen kontinuierlichen Diskurs über klinisch-ethische Fragestellungen, der die klinischen Mitarbeiter über die Zeit in die Lage versetzt, mit solchen wertbehafteten Fragen und Problemen selbstständig und kompetent umzugehen und damit handlungsfähig zu bleiben.