In der vorliegenden Arbeit wurde mittels Fang-Wiederfang-Methode untersucht, inwieweit Landschaftsstrukturen unüberwindbare Hindernisse für pollensammelnde Weibchen zweier oligolektischer Wildbienenarten darstellen. Zu diesem Zweck wurden besetzte Nester, die ein Jahr vor den Experimenten gesammelt wurden, so in der Landschaft platziert, dass zwischen ihnen und geeigneten Wirtspflanzenbeständen Landschaftsstrukturen wie Wälder, Hügel, Flüsse und Autobahnen lagen. Die Untersuchungen mit der auf Hahnenfuß (Ranunculus) spezialisierten Scherenbiene Chelostoma florisomne wurden in einem hügeligen und stark bewaldeten Gebiet in der Nordostschweiz durchgeführt (Abb. 1), diejenigen mit der auf Natternkopf (Echium) spezialisierten Mauerbiene Hoplitis adunca in einem Gebiet in der Nordwestschweiz, welches von einem breiten Fluss sowie einer stark befahrenen Autobahn durchschnitten wird (Abb. 2).
Pollensammelnde Weibchen von C. florisomne querten zwischen Nest und Wirtspflanzen bis zu 480 m breite Waldbestände und überwanden Höhendifferenzen von über 130 m (Tab. I). Weibchen von H. adunca flogen über einen 100 m breiten Flussabschnitt und über eine 12 m breite Autobahn, um zu ihren Wirtspflanzen zu gelangen. Mehrere Weibchen von C. florisomne sammelten Pollen in einer Distanz von 500–650 m von ihrem Nest (Tab. I). Diese Beobachtung deutet darauf hin, dass die maximale Flugdistanz dieser Art, die in der Literatur auf 200–400 m geschätzt wurde, bisher unterschätzt worden ist. Trotz dieser unerwartet langen Flugdistanzen wurden die Weibchen von C. florisomne vorwiegend in Wirtspflanzenbeständen wiedergefunden, die in minimaler Entfernung zum Nest lagen (Abb. 3B).
Die vorliegende Untersuchung zeigt, dass Landschaftsstrukturen wie dichte Wälder, Hügel, breite Flüsse und stark befahrene Autobahnen keine unüberwindbaren Hindernisse für pollensammelnde Weibchen der beiden in Mitteleuropa häufigen und weit verbreiteten Wildbienenarten darstellen. Inwieweit sich dieselben Landschaftsstrukturen negativ auf pollensammelnde Weibchen von seltenen und gefährdeten Wildbienenarten auswirken, müssen zukünftige Untersuchungen zeigen.