Die erhöhte Prävalenz der Major Depression bei Frauen stellt eines der konstantesten und erstaunlichsten Ergebnisse von Untersuchungen affektiver Störungen dar. Frauen leiden doppelt so häu- fig wie Männer an einer unipolaren Major Depression. Es gibt zahlreiche Erklärungen für dieses Phänomen; die Unterschiede bezüglich der Sexualhormone und die Auswirkung dieser Hormone auf verschiedene Neurotransmittersysteme im ZNS gelten als wichtigste definierende Variable. Eine Übersicht der gegenwärtig verfügbaren Literatur zeigt, dass die alleinige Gabe von Östrogen eine wirksame Kurzzeitbehandlung perimenopausaler Frauen mit milder oder Minor Depression bzw. Dysthymie darstellt. Es gibt allerdings keine Evidenz dafür, dass eine alleinige Östrogengabe für die Behandlung einer Major Depression wirksam ist. Östrogen kann auch als Augmentation antidepressiver Medikationen, vor allem bei Frauen in der Peri- und Postmenopause, eingesetzt werden. Es werden allerdings größere, besser kontrollierte und länger durchgeführte Studien benötigt, um Strategien einer Östrogenbehandlung bei Depressionen zu definieren. Basierend auf dem gegenwärtigen Wissensstand muss ein sorgfältiges Abwägen der Risiken und Vorteile stattfinden, bevor Therapieentscheidungen getroffen werden können.
Hypogonadale Männer, die an einer Dysthymie leiden, können von einer Testosteronbehandlung profitieren. Eine alleinige Gabe von Testosteron scheint jedoch keine effektive Behandlung einer Major Depression von Männern darzustellen. Die Rolle von Testosteron als zusätzlich appliziertes Hormon zu einer Östrogen- und Progesteronsubstitutionstherapie bei postmenopausalen Frauen ist weiterhin umstritten. Auch hier besteht ein Bedarf an größeren Studien mit längerer Laufzeit, um den potenziellen Nutzen zu erkennen.