Nach einem Stillstand in der Reifeakzeleration in den 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts wird international und auch in Deutschland eine weitere Verschiebung der Reifeentwicklung in das jüngere Lebensalter diskutiert. Mit der Erhebung von Reifemerkmalen bei Mädchen und Jungen im Rahmen des bundesweiten Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KiGGS) sollen bevölkerungsrepräsentative Angaben zur sexuellen Reifung ermittelt und Zusammenhänge zwischen Reifestatus und ausgewählten Gesundheits- und Sozialdaten geprüft werden. Mädchen wurden nach der ersten Regelblutung (Menarche) und Jungen nach Veränderungen in der Stimmlage, dem Stimmbruch (Mutation) gefragt (Status-quo-Methode). Die Schambehaarung (Pubes) wurde nach definierten Entwicklungsstufen (Tanner) anhand von Zeichenvorlagen von den Kindern und Jugendlichen vom vollendeten 10.–17. Lebensjahr selbst eingeschätzt. Das mittlere Alter (Median) für die Menarche, für die Mutation und die Pubesstufen wurde über ein Logit-Modell berechnet. Mit 10 Jahren berichten 42,4 % der Mädchen und 35,7 % der Jungen über die Entwicklung von Schamhaaren. Mit 17 Jahren haben die Mehrzahl der Mädchen und Jungen die Stufen PH5 (Mädchen 57,5 %, Jungen 47,8 %) und PH6 (Mädchen 23,6 %, Jungen 46,5 %) nach Tanner erreicht. Das Durchschnittsalter für die einzelnen Pubesstufen ist bei Mädchen niedriger (PH2 10,8; PH3 11,7; PH4 12,3; PH5 13,4 Jahre) als bei Jungen (PH2 10,9; PH3 12,6; PH4 13,4; PH5 14,1). Der Menarchemedian beträgt 12,8 Jahre, der Median für die Mutation (Stimme tief) 15,1 Jahre. Signifikante Unterschiede im Menarchealter bestehen zwischen Mädchen in Abhängigkeit vom Sozialstatus (12,7/12,9/13,0 Jahre für niedrigen/ mittleren/hohen Sozialstatus) und zwischen Mädchen mit und ohne Migrationshintergrund (12,5/12,9 Jahre). Keine Unterschiede sind im Menarchealter nach Ost/West und nach Wohnortgröße nachweisbar. Zusammenhänge zwischen Reifestatus und BMI sind bei Mädchen stärker ausgeprägt als bei Jungen. Insgesamt beginnt die Reifeentwicklung deutscher Kinder und Jugendlicher im Vergleich zu anderen europäischen Studien nicht signifikant früher.