Einleitung und Fragestellung Zur objektiven Erfassung der Tagesschläfrigkeit bei Patienten mit obstruktivem Schlafapnoesyndrom (OSAS) wird heute am häufigsten der MWT eingesetzt. Dieser Test ist aber zeitaufwändig und besitzt geringe ökologische Validität. Wünschenswert wäre ein Test mit mehr Realitätsbezug, der eine relativ monotone Tätigkeit z. B. Lesetätigkeit beinhaltet. Lesen ist im Gegensatz zu z. B. Aufmerksamkeitstests und Fahrsimulatoren eine wenig aktivierende Tätigkeit des täglichen Lebens. Um die externe Validität zu beschreiben, untersuchten wir deshalb die Einschlafneigung mittels ESS und die Einschlaflatenz mit einem neu entwickelten Lesetest (LT) bei Normalpersonen und Patienten mit OSAS. Die Leseaktivität kann anhand der schnellen Augenbewegungen während des Lesens (Sakkaden) mittels EOG erfasst werden.
Methodik 16 Normalpersonen (7 männlich, 9 weiblich, Alter 47,7 ± 14,1, BMI 26 ± 4,5) und 30 Pat. mit obstruktivem Schlafapnoesyndrom (Geschlecht: 26 m, 4 w; Alter 51 ± 12 Jahre, Größe 176 ± 9 cm, Gewicht 96 ± 20 kg, AHI 39,9 ± 24,0, SaO2, min 81,9 ± 7,8%) wurden untersucht. Zur Bestimmung der Wach- und Schlafstadien nach Rechtschaffen und Kales (R&K) wurden das EEG, EOG und EMG abgeleitet. Der im Bett in halbliegender Position ruhende Proband/Patient las unter standardisierten Bedingungen ein Buch. Die Lesedauer wurde aus Praktikabilitätsgründen auf maximal 60 Minuten begrenzt. Die Augenbewegungs-Frequenz während 30 Sekunden-Epochen sowie die Schlaflatenz nach R&K wurde analysiert. Die Prüfung der externen Validität des Lesetestes wurde durch Vergleich mit der ESS durchgeführt. Spezifität und Sensitivität des Lesetests, bezogen auf die ESS mit einem Cut off bei einem Score von ≥ 11 wurden errechnet.
Ergebnisse Die durchschnittliche Lesefrequenz der Kontrollgruppe betrug 9,4 ± 4,0, bei OSAS 7,1 ± 3,1 Augenbewegungen pro 30 Sekunden Epoche. Keine der Kontrollpersonen schlief während des 60-minütigen Lesens ein, dagegen 14 von 30 (47 %) der Patienten mit OSAS. Bei Vergleich der ESS mit dem Lesetest zur Beurteilung der externen Validität fand sich bei 47% ein pathologischer ESS-Score und bei 47% ein pathologischer Lesetest. Im Chi-Quadrat-Test nach McNemar (Chi2 0,81) konnte kein signifikanter Zusammenhang zwischen zwischen ESS und Lesetest nachgewiesen werden.Die Sensitivität des Lesetests, bezogen auf einen ESSScore ≥ 11 lag bei 43%, die Spezifität bei 50%.
Schlussfolgerungen Mit dem Lesetest steht ein einfacher, relativ monotoner realitätsbezogener Test zur Erfassung der Einschlaflatenz zur Verfügung. Durch Registrierung der Augenbewegungen kann die Lese-Aktivität und das Einschlafen objektiv beschrieben werden. Nach weiterer Validierung könnte er komplementär zu den subjektiven Tests zum Einsatz kommen.