Mit den Veröffentlichungen der PISA-Studien 2000 und 2003 (Deutsches PISA-Konsortium 2001, 2002; PISA-Konsortium Deutschland 2004) ist in der Bundesrepublik Deutschland erneut die Diskussion um die systematische Benachteiligung von Schülerinnen und Schülern aus sozial schwächeren Familien entbrannt. Kein anderes OECD-Land wies in PISA 2000 einen derart engen Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Lesekompetenzen auf wie Deutschland (vgl. Baumert & Schümer 2001). Zumindest in der politischen Diskussion war die Ursache für die sozialen Disparitäten schnell gefunden: Es war das differenzierte Schulsystem, das Kindern und Jugendlichen aus einfachen sozialen Schichten ungünstigere Lerngelegenheiten anbiete als sozial privilegierten Schülerinnen und Schülern. Im Rahmen dieses Kapitels soll herausgearbeitet werden, dass soziale Disparitäten im bundesdeutschen Schulsystem in erster Linie bei Übergangsentscheidungen von der Grundschule in die Sekundarstufe I entstehen, nicht aber innerhalb des Sekundarschulsystems, in dem in der jeweiligen Schulform Schülerinnen und Schüler unabhängig von ihrer sozialen Herkunft gleichermaßen gefordert werden.