Hintergrund:
Trotz multimodaler Therapiekonzepte bei der Primärbehandlung lokal fortgeschrittener Hals-Nasen-Ohren-(HNO-)Tumoren sind die klinischen Langzeitergebnisse unbefriedigend. Es gibt Hinweise dafür, daß die Hämoglobinkonzentration den Oxygenierungsstatus von Kopf- und Halskarzinomen direkt beeinflußt und somit auch einen Einfluß auf die Zahl hypoxischer radioresistenter Zellen hat. Es sollte überprüft werden, inwieweit im Rahmen einer kombinierten Radiochemotherapie bei fortgeschrittenen HNO-Tumoren Änderungen der Hämoglobinkonzentration auftreten.
Patienten und Methodik: Bei 68 Patienten mit fortgeschrittenen Plattenepithelkarzinomen im HNO-Bereich, bei denen eine Bestrahlung primär oder adjuvant mit einer Gesamtdosis von 60 bis 74 Gy in Kombination mit einer Chemotherapie mit Cisplatin (± 5-Fluorouracil) oder Carboplatin in den ersten und fünften Bestrahlungswoche über jeweils fünf Tage durchgeführt worden war, wurden die Hämoglobinwerte zu Beginn und am Ende der Therapie retrospektiv erfaßt.
Ergebnisse: Bereits vor Beginn der Radio- und Chemotherapie hatten 41% der Patienten einen Hämoglobinwert unterhalb der Norm. Die mittlere Hämoglobinkonzentration im Gesamtkollektiv reduzierte sich signifikant von 12,9±1,7 g/dl zu Beginn auf 11,6±1,6 g/dl am Ende der Behandlung. Bei zwölf Patienten (18%) wurden im Verlauf der Therapie allogene Erythrozytenkonzentrate erforderlich. Am Therapieende hatten 76% der Patienten eine Anämie entwickelt. Sowohl nach Cisplatin- als auch nach Carboplatin-Chemotherapie bestand ein signifikanter Abfall der Hämoglobinwerte ohne statistisch nennenswerte Unterschiede zwischen beiden Gruppen.
Schlußfolgerung: Bei Patienten mit einem fortgeschrittenen Plattenepithelkarzinom im Kopf- und Halsbereich besteht bereits bei Diagnosestellung eine hohe Anämierate (41%), die sich durch eine kombinierte Radiochemotherapie nahezu verdoppelt (76%). Da in einer Vielzahl von Studien ein Zusammenhang zwischen Hämoglobinkonzentration und lokaler Tumorkontrolle nachgewiesen wurde, dürfte diese Patientengruppe von einer Korrektur der Anämie profitieren.