Nahezu alle Diskussionen des Konvents waren von zwei gegensätzlichen europapolitischen Leitbildern geprägt. Einerseits wurde insbesondere von den Vertretern der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments und auch von den deutschen Mitgliedern im Konvent ein betont supranationaler Ansatz vertreten. Andererseits betonten die Repräsentanten Großbritanniens, Spaniens, der nordischen Staaten und in einigen Einzelfragen auch Frankreichs im Konvent den Charakter der Europäischen Union als Zusammenschluss von Nationalstaaten und damit die intergouvernementalen Attribute des europäischen Integrationsprozesses. In Einzelfällen wurden auch deutlich europaskeptische oder gar ablehnende Positionen vertreten. Dieser Gegensatz im europapolitischen Grundverständnis war auch die tiefere Ursache für eine zweite Konfliktlinie, die für die Arbeit des Konvents prägend wurde. Viele Diskussionen waren von deutlichen Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vertretern aus großen und aus kleinen Mitgliedstaaten gekennzeichnet. Die Vertreter aus den kleinen und mittleren Mitgliedstaaten trafen sich regelmäßig am Rande der Plenarsitzungen, um ihre Positionen abzustimmen. Diese beiden Gegensätze gewannen sowohl für die Debatten zur institutionellen Reform der Union und ihrer Organe als auch für die in den Konvent eingebrachten Verfassungsentwürfe eine besondere Bedeutung.