Erfolgreiches Leseverstehen setzt einerseits die Fähigkeit voraus, geschriebene Wörter Buchstabe für Buchstabe in eine phonetische Repräsentation zu überführen (phonologisches Rekodieren), andererseits die Fähigkeit, geschriebene Wörter anhand ihrer Wortform zu erkennen (orthografisches Dekodieren). Phonologisches Rekodieren spielt eine besondere Rolle beim Lesenlernen und dient darüber hinaus vor allem dem Erkennen neuer und seltener Wörter. Orthografisches Dekodieren hingegen ist potenziell effizienter, wodurch Leseprozesse auf Satz- und Textebene erleichtert werden. Untersuchungen mit englischsprachigen Kindern belegen die Relevanz beider Wege der Worterkennung. Die Frage, ob und in welchem Umfang diese auch von jungen deutschen Lesern/-innen genutzt werden, muss dagegen noch geklärt werden. Anhand querschnittlicher Daten deutscher Zweit- bis Viertklässer wurde untersucht, ob und in welchem Ausmaß phonologisches Rekodieren und orthografisches Dekodieren mit dem Verstehen von Sätzen (N = 666) und Texten (N = 149) assoziiert sind und wie sich diese Zusammenhänge im Grundschulalter entwickeln. Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl phonologisches Rekodieren als auch orthografisches Dekodieren für das Leseverständnis wichtig sind, wobei sich ihr relatives Gewicht über die Klassenstufen hinweg nicht verändert.