In der Literatur zum Erwerb der Finitheit in germanischen Sprachen (vgl. Jordens/Dimroth 2005, Jordens 2004, Becker 2005) wird das Auftreten von Auxiliarverben als ein besonders wichtiger Schritt in Richtung Zielsprache angesehen. Der vorliegende Beitrag konzentriert sich auf die Rolle des Auxiliars hebben (›haben‹) im Erwerb des Niederländischen als Zweitsprache. Es wird untersucht, ob der Erwerb von hebben mit dem Erwerb zweier Phänomene korreliert, die oft mit Finitheit assoziiert werden: Inversion und Negation. Dazu wurden Daten von 16 türkischen und 36 marokkanischen Lernern des Niederländischen ausgewertet, die an einem Produktions- und Imitations-Experiment teilnahmen.
Die Ergebnisse des Produktionsexperiments belegen, dass nur solche Lerner Inversion und die zielsprachliche postverbale Stellung der Negation produzieren, die auch das Auxiliar hebben erworben haben. Die Ergebnisse des Imitationsexperiments zeigen hingegen, dass alle Lerner, d.h. auch solche, die das Auxiliar noch nicht selbst produzieren, für Inversion und postverbale Negation sensibler sind, wenn sie diese Eigenschaften in Sätzen antreffen, die das Auxiliar hebben anstelle eines finiten lexikalischen Verbs enthalten.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass nicht-modale Auxiliare bereits eine entscheidende Rolle für den Erwerb von Finitheitseigenschaften spielen, bevor Lerner produktiven Gebrauch von ihnen machen können.