Die Anfänge der Schulforschung im ausgehenden 19. Jahrhundert fallen in die Periode der Modernisierung und Expansion der Bildungssysteme in Europa und in den Vereinigten Staaten Nordamerikas und zugleich in die Zeit der Herausbildung und Differenzierung der modernen geistes- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen. Je nach ihren historischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen vollzogen sich Modernisierung des Bildungssystems und Disziplinbildungsprozesse von Land zu Land in unterschiedlicher Weise. Während in Deutschland die bereits relativ festen Strukturen des im frühen 19. Jahrhundert begründeten Bildungswesens lediglich Teilreformen des Gesamtsystems zuließen (1900 und 1908: höheres Knaben- bzw. Mädchenschulwesen; 1920: Einführung der allgemeinen Grundschule), die die vertikale Schulgliederung weiter stabilisierten, waren der Transformation und Modernisierung des amerikanischen Schulwesens seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert vor allem deshalb weitaus größere Entwicklungsspielräume eröffnet, weil hier der für Deutschland geltende straffe systemische Charakter fehlte.